Intellidenz­minderung

Was ist Intelligenz­minderung?

Der Begriff „Intelligenz“ kommt vom lateinischen Wort „intellegere“ und bedeutet „kennen, begreifen, verstehen“.

Es geht dabei also um geistige Fähigkeiten eines Menschen, neue Informationen effektiv und rasch zu verarbeiten, Rückschlüsse daraus zu ziehen und diese in neuen Situationen anzuwenden. Unter einer Intelligenzminderung versteht man eine stehengebliebene oder unvollständige Entwicklung der geistigen Fähigkeiten.

Dieser Stillstand oder Rückstand der geistigen Entwicklung bei einem Kind ist für Eltern, Kinderärzte, Erzieherinnen, Lehrer usw. manchmal schon im Kleinkindalter erkennbar, manchmal aber auch erst im Schulalter.

Symptome

Im Alltag fallen Kinder mit einer Intelligenzminderung dadurch auf, dass sie sich langsamer entwickeln als Gleichaltrige. Die betroffenen Kinder können zum Beispiel:

  • Schwierigkeiten haben, neue Sachen zu erlernen,
  • „einfachere“ Spiele bevorzugen, bzw. nicht altersentsprechendes Spielverhalten haben,
  • kommunikative (sprachliche) Störungen zeigen,
  • Probleme haben, mit unbekannten Situationen zurechtzukommen
  • oder andere Auffälligkeiten in der geistigen, sprachlichen, oft auch motorischen Entwicklung zeigen.

Gleichbedeutend mit dem Begriff der Intelligenzminderung spricht man auch von geistiger Behinderung. Vor allem bei sozialrechtlichen Angelegenheiten, die mit dem Versorgungsamt, dem Sozialamt usw. zu regeln sind, wird häufiger von geistiger Behinderung als von Intelligenzminderung gesprochen.

Stufen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) teilt Intelligenzminderung in vier verschiedene Stufen (Schweregrade) ein (s. Grafik). Um den Schweregrad eventuell vorliegender Intelligenzminderung bei einem Kind zu bestimmen, müssen einige Untersuchungen durchgeführt werden. Diese Untersuchungen bewerten unter anderem Sprache, Konzentration, logisches Denkvermögen, soziale Anpassungsmöglichkeit sowie die Fähigkeiten zur Selbstversorgung des Kindes.

Ursachen

Grundsätzlich liegt einer Intelligenzminderung stets eine Störung der Hirnfunktion zugrunde. Solche Hirnfunktionsstörungen können verschiedene Ursachen haben:

  • Sie können genetisch verursacht sein: Das heißt, die Hirnfunktionsstörung kommt durch eine Störung in den Erbanlagen des Kindes zustande.
  • Oder sie können erworben sein: Das heißt, die Hirnfunktionsstörung kommt durch eine Schädigung des Gehirns von außen zustande. Eine erworbene Intelligenzminderung kann durch verschiedene schädigende Einflüsse vor, während oder nach der Geburt hervorgerufen werden:

Vor der Geburt

Zum Beispiel aufgrund von Gehirnentzündungen durch Viren oder Bakterien; Alkohol-, Drogen- oder Medikamentensucht der Mutter.

Während der Geburt

Zum Beispiel als Folge von Sauerstoffmangel des Kindes.

Nach der Geburt

Zum Beispiel durch schwere Infektionen mit Entzündung der Hirnhäute oder selten auch durch andere schwere Infektionen, die zum Kreislaufzusammenbruch führen; Unfälle mit Schädel-Hirn-Verletzungen.

Insgesamt sind aber in Deutschland und Mitteleuropa bei einer Intelligenzminderung genetische Ursachen häufiger als erworbene Ursachen.

Diagnostik

Um eine Intelligenzminderung zu diagnostizieren, sind mehrere Schritte sinnvoll:

Gespräch zur Krankheits­geschichte

Im ersten Schritt wird die Ärztin oder der Arzt versuchen, die Ursache für die Entwicklungsstörung des Kindes herauszufinden. In einem Gespräch wird deshalb zunächst sehr gründlich der Verlauf der Schwangerschaft, der Geburt und der bisherigen Entwicklung des Kindes ermittelt. Das Fachpersonal wird nach ähnlichen Erkrankungen in der Familie fragen und sich erkundigen, ob es möglicherweise eine Schädigung des ungeborenen Kindes während der Schwangerschaft durch äußere Einflüsse gegeben haben könnte. Darüber hinaus werden Fragen zum allgemeinen Verhalten des Kindes gestellt, zum Beispiel:

  • Wie kommt das Kind in der Schule/im Kindergarten zurecht?
  • Hat es Freunde?
  • Wie sieht das Spielverhalten des Kindes aus?
  • Wie reagiert/verhält sich das Kind in Konfliktsituationen oder unbekannten Situationen usw.?

Psychologische Tests

Zur Beurteilung der intellektuellen Leistungsfähigkeit kann zusätzlich, falls möglich, ein Intelligenztest durchgeführt werden. Mit psychologischen Tests kann man die Intelligenz bei einem Menschen messen. Für jede Altersstufe gibt es individuelle Testverfahren. Das Ergebnis eines Intelligenztests wird in der Regel als Intelligenzquotient (kurz IQ) angegeben. Der Durchschnittswert des IQ ist 100. Von einer Intelligenzminderung spricht man, wenn in einem Intelligenztest ein IQ unterhalb von 70 gemessen wird.
Bei schwerer allgemeiner Entwicklungsstörung eines Kindes kann die Ärztin oder der Arzt auch schon in den ersten Lebensjahren den Verdacht auf eine Intelligenzminderung haben und anhand spezieller altersangepasster Entwicklungstests einen „Entwicklungsquotienten“ (EQ) ermitteln. Sofern die Eltern weitere Untersuchungen wünschen, kann auch schon bei Säuglingen oder jungen Kleinkindern entsprechende genetische Diagnostik veranlasst werden, auch wenn eine reguläre Messung der Intelligenz noch nicht möglich ist.

Genetische Laboruntersuchungen

Manchmal gelingt es der Ärztin oder dem Arzt allein durch Erhebung der Vorgeschichte und eine körperliche Untersuchung, eine Diagnose oder Verdachtsdiagnose zu stellen. In vielen Fällen ist dies aber nicht möglich, und dann ist es sinnvoll, genetische Screening-Untersuchungen durchzuführen, sofern die Eltern eine Ursachenklärung wünschen.

Zu genetischen Laboruntersuchungen, die breit gefächert nach genetischen Fehlern suchen („Screening“), zählen: herkömmliche Chromosomenanalyse, hochauflösende Chromosomenanalyse (vergleichende genomische Hybridisierung, Array-CGH), molekulargenetische Panel-Untersuchungen und Gesamt-Exom-Sequenzierung.

Vorteile und Nachteile eines genetischen Tests bei Intelligenzminderung

Wenn bei Intelligenzminderungen ein Nachweis einer genetischen Ursache gelingt, so kann man teilweise, allerdings eher selten, mehr über den konkreten Verlauf der Erkrankung vorhersagen. Da ohnehin keine Behandlung der Kernsymptome mit Medikamenten möglich ist, ergeben sich auch durch eine genetische Untersuchung keine Hinweise in dieser Richtung. Anders ist dies möglicherweise, wenn zusätzlich auch epileptische Anfälle vorliegen, wie es gar nicht so selten der Fall ist. Dann kann es Hinweise geben, welche Behandlung am besten wirksam ist. In sehr wenigen Fällen findet man sogar eine Ursache, bei der eine gezielte Behandlung möglich ist, so beispielsweise, wenn sich Hinweise auf eine Stoffwechselstörung zeigen.
Viele Familien fühlen sich sehr erleichtert, wenn eine Ursache gefunden wurde, da dies oftmals zu einer erheblichen Entlastung von Schuldgefühlen führt. Eine Zuordnung ermöglicht einen gezielteren Austausch mit anderen Familien mit gleichem Krankheitsbild.

Einschränkungen des genetischen Tests bei Intelligenzminderung
Eine Ursachenfindung gelingt nicht immer. Manchmal liefern die Tests auch Ergebnisse, die nicht eindeutig sind oder auch verwirrend. So z. B. wenn eine Veränderung weltweit erstmalig nachgewiesen wird oder es nur sehr wenige Menschen mit gleicher oder ähnlicher Veränderung gibt. Weitere Informationen dazu finden Sie im allgemeinen Humangenetikteil auf dieser Website. Auch ist eine präzise Vorhersage des Verlaufs für den Einzelfall nicht möglich. Es gibt zwar Versuche, möglichst „maßgeschneiderte“ Therapien für die verschiedenen genetisch bedingten Erkrankungen zu finden – dies liegt aber bis auf Einzelfälle noch in der Zukunft.

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